Warum Vorlesen so wertvoll ist…

Kinder lieben Geschichten und sie lieben es, diese erzählt und vorgelesen zu bekommen – auch dann noch, wenn sie schon selbst lesen können. Hörspiele und Hörbücher sind ebenfalls eine tolle Sache, können und sollten das Vorlesen jedoch nicht ersetzen.

Wer regelmäßig eine „Lesestunde“ mit dem Kind einplant, gewinnt nicht nur wunderschöne gemeinsame Augenblicke, sondern investiert nachhaltig in die gesamte Entwicklung und die Bildungschancen seines Kindes. Kurz gesagt: das Lesen hilft uns dabei, einen Zugang zur Welt und zum Wissen zu bekommen. Dies zeigen auch die von der Stiftung Lesen jährlich durchgeführten Studien. Vorlesen fördert demnach eine Vielzahl von grundlegenden Fähigkeiten, die für die kindliche Entwicklung von zentraler Bedeutung sind:

  • Kognitive Fähigkeiten
  • emotionale und soziale Kompetenzen

Vorlesen vergrößert den Wortschatz und ist eine wichtige Komponente bei der Sprachentwicklung. Ganz automatisch wird auch das Gefühl für Sprache und Satzbau ausgeprägt. Darüber hinaus werden durch das Vorlesen eine Menge weiterer Fähigkeiten vermittelt. Es steigert das Konzentrations- und Ausdauervermögen, erweitert die Vorstellungskraft und fördert Fantasie und Kreativität. Es trainiert das Gehirn und baut nachweislich sogar Stress ab. Außerdem lernen Kinder durch Geschichten, sich in andere Lebewesen hineinzuversetzen – sie entwickeln die Fähigkeit empathisch zu sein. In vielen Kinderbüchern werden zudem gesellschaftliche Werte und soziales Verhalten thematisiert und kindgerecht aufbereitet. Die Figuren in den Geschichten werden zu Lieblingshelden mit Vorbildcharakter und helfen den Kids dabei, sich im Alltag zu orientieren, ihre Umwelt einzuschätzen und auch schwierige Situationen zu meistern.

Vorlesen bildet außerdem die Grundlage für die Entwicklung von Lesefreude, einer guten Lesekompetenz und dem gesamten Leseverhalten, was sich letztlich unmittelbar auf den Schulerfolg auswirkt. Denn Kindern, denen viel vorgelesen wurde, fällt das Lesen- und Schreibenlernen in der Regel leichter. Lesen und Schreiben sind zudem zentrale Schlüsselqualifikationen unserer Zeit und Voraussetzung für alles, was während und vor allem nach der Schule passiert.

Gleichzeitig helfen Geschichten und Bilder Kindern bei der Verarbeitung von Gefühlen und Auseinandersetzung mit verschiedenen Themen. Sie geben Kindern Raum für all ihre Fragen. So gaben in der Vorlesestudie 2014 zwei Drittel der befragten Eltern an, dass „das Vorlesen über die Geschichten hinaus weitere Gespräche anstößt“. Hauptsächlich handele es sich dabei um alltägliche Themen, die das Kind gerade beschäftigen, aber auch einschneidende Ereignisse wie Familienzuwachs, Trennung oder die Einschulung konnten darüber gemeinsam besprochen werden. Vorleseaktivitäten können die Lesefähigkeit und literarische Bildung selbst noch von älteren Kindern und Jugendlichen (bis 14 Jahre) unterstützen, indem sich ihr (passiver) Wortschatz vergrößert und sie sich literarische Wendungen aneignen. Abgesehen davon können Jugendliche und Erwachsene Vorlesesituationen genauso genießen wie kleine Kinder.

Ab wann sollte man Kindern vorlesen?

Das klassische Vorlesealter liegt zwischen zwei und acht Jahren. Doch mit einfachen Bilderbüchern können Kinder auch schon vor dem 2. Lebensjahr für Bücher begeistert werden. Auch Kinder, die noch nicht sprechen können, haben etwas davon, wenn Ihnen vorgelesen wird.

Je früher das Vorlesen zum Alltag von Kindern gehört, desto besser! Beim frühen Vorlesen geht es allerdings nicht allein um den Spracherwerb. Viele Eltern unterschätzen die emotionale Komponente dieses Rituals. Beim gemeinsamen Betrachten von Bilderbüchern entsteht vor allem Nähe und das verursacht gute Gefühle, wie Sicherheit und Geborgenheit. Regelmäßige Vorlesezeiten bewirken Zuverlässigkeit und Stabilität innerhalb der Familie und haben einen positiven Einfluss auf die Beziehungen untereinander.

Wie lang oder kurz vorgelesen wird, ist individuell und demnach ganz unterschiedlich: Manche Kinder sind von Anfang an sehr interessiert an Büchern und können schon früh große Textmengen verarbeiten, andere brauchen mehr Zeit und viele Bilder. 

Worauf sollte man beim Vorlesen achten?

Jeder, der lesen kann, kann Kindern vorlesen. Mit diesen einfach umzusetzenden Tipps werden die Lesezeiten zu einem wunderschönen und gemütlichen Ritual:

  1. Die richtige Atmosphäre: Nehmt euch Zeit und sorgt für Ruhe, wenn ihr euren Kindern vorlest. Kuschelt euch gemeinsam mit Kissen auf die Couch oder aufs Bett und sorgt für eine entspannte Leseatmosphäre. Die Leseumgebung hat wesentlichen Einfluss auf die Förderung des literarischen Lernens. Sie beeinflusst auch eine der wichtigsten literarischen Teilkompetenzen, nämlich die Entwicklung des Vorstellungsvermögens. Wer liest oder zuhört, erschafft in seinem Kopf ein Bild der literarischen Welt.

  1. Auf die Wünsche des Kindes eingehen: Sobald sie dazu in der Lage sind, sollten sich Kinder das Buch selbst aussuchen oder zumindest mitentscheiden, was vorgelesen wird. Viele Kinder möchten immer das gleiche Buch lesen, gebt dem Wunsch ruhig nach, auch wenn es für euch – zugegeben – etwas langweilig werden kann. Achtet bei der Auswahl der Lektüre auf Altersempfehlungen und die Interessen eurer Kinder. Bietet ihnen darüber hinaus eine thematische Vielfalt und unterschiedliche Leseformate (Geschichtenbücher, Kinderromane, Comics, Zeitschriften, Sachbücher…) an. 

  1. Lebhaft vorlesen: Spielt beim Vorlesen mit eurer Stimme und gebt den Figuren unterschiedliche Stimmen. Variiert zusätzlich mit Vorlesetempo und -lautstärke. Zur Unterstreichung von spannenden Stellen können auch Atempausen genutzt werden. Auch die Unterstützung des Gelesenen mit Mimik und Gestik machen das Vorlesen zu einem lebendigen Erlebnis. Das macht nicht nur Spaß, sondern begeistert kleine Leser und fördert das Zuhören. Außerdem wird auf diese Weise die Vorstellungskraft der Kinder besonders angeregt. Auch Menschen mit einer geistigen Behinderung können von einer lebendigen Vorleseweise profitieren, indem sie die Geschichte nicht logisch-rational, sondern sinnlich und emotional wahrnehmen. Hinweis: Man muss aber keine Sprachtechniken erlernen, um gut vorlesen zu können. Es genügt, wenn höhere oder tiefere Stimmen eingesetzt werden oder Tempo, Deutlichkeit und Lautstärke abwechseln.

  1. Feste Vorlesezeiten: Kinder lieben Rituale. Führt am besten feste Vorlesezeiten ein. Dafür eignet sich besonders die Zeit nach dem Mittag oder abends, wenn die Kinder Ruhe brauchen. Ganz klar – Vorlesen schafft Ablenkung! Gerade abends vor dem Schlafengehen bieten Bücher eine hervorragende Möglichkeit abzuschalten und den Alltag hinter sich zu lassen. Die vorgetragenen Geschichten helfen dabei, das bereits Erlebte in den Hintergrund rücken zu lassen, Abstand zu den Ereignissen des Tages zu gewinnen und in einen ruhigen erholsamen Schlaf zu finden.

  1. Interaktiv vorlesen: Geht beim Vorlesen auf Fragen und Anmerkungen eurer Kinder ein und unterbrecht die Geschichte bei Bedarf. Ihr könnt eure Kinder auch dazu anhalten, indem ihr ihnen Fragen zum Gehörten stellt oder die Vorlesegeschichte mit eigenen Erfahrungen in Verbindung bringt. Eine akustische Begleitung durch ruhige Hintergrundmusik, Lichtquellen oder Kostümierungen steigern das Erlebnis der Zuhörenden und intensivieren somit die Verstehensprozesse

  1. Ein bisschen Grusel ist okay: Die meisten Märchen sind erschreckend grausam, doch Kinder können meist gut zwischen der Fantasiewelt in den Büchern und der realen Welt unterscheiden. Trotzdem solltet ihr euer Kind im Auge behalten. Ist es ein ängstlicher Typ, der nachts Alpträume bekommt, verzichtet ihr zunächst lieber auf „Bambi“ oder „Hänsel und Gretel“.

  1. An digitale Medien heranführen: Auch wenn Bücher natürlich immer noch das beliebteste Medium zum Vorlesen sind, haben digitale Medien auch ihren Reiz und ihre Berechtigung und können dosiert zum Einsatz kommen – besonders für Eltern, die selbst technikbegeistert, aber keine Leseratten sind.

Quellen:

https://www-de.scoyo.com/eltern/familie/freizeit/kindern-vorlesen

Maria Becker. Wie Vorlesen wirkt. In: Buch & Maus 1/2018

http://www.literacy.at/index.php?id=582

https://www.kindaling.de/blog/wie-wichtig-ist-vorlesen-fuer-kinder

Warum Vorlesen so wertvoll ist…

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert